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25. September 2019

Es ist  viel passiert seit dem letzten Eintrag.

Immer noch bin ich extrem leicht zu verunsichern, was Linus‘ Eignung angeht, mir später den Alltag zu erleichtern. Im Rückblick ärgere ich mich über mich selber, aber während dieser Zeit der Verunsicherung kam ich mal wieder an meine psychischen Grenzen…

Im Beitrag vom 29. August 2019 habe ich ja versucht, etwas ausführlicher zu erzählen, wie anstrengend Linus außerhalb des Hauses ist und was ich dagegen unternehme (2 Trainierinnen, Tierärztin). Ich versuche, die Ergebnisse bzw. den Weg dahin, einigermaßen chronologisch zu berichten:

Meine Trainierin hier vor Ort hat den letzten größeren Ausraster wieder miterlebt – zumindest den letzten Teil davon. Eigentlich waren Linus und ich zum Hundeplatz unterwegs – ich hatte eine Gruppen-Einheit Rallye Obidience gebucht. Der 5-Minuten-Fußweg zum Hundeplatz wurde wieder zum Alptraum und endete nach einer halben Stunde zwar auf dem Trainingsplatz, Linus war jedoch völlig im Tunnel, nicht ansprechbar, nicht körperlich händelbar und in Belltrance. Ich war wieder kurz vor der inneren emotionalen Überflutung, kaum noch fähig, mit der Trainierin zu kommunizieren. Auf meine Frage hin, was um alles in der Welt ich gegen diese Ausraster machen soll, antwortete sie, dass sie schon viel früher eine Korrektur aufgebaut hätte. Natürlich fragte ich nach, warum sie mir das dann nicht schon längst empfohlen hatte – ihre Antwort war, dass ich erst Rücksprache mit meiner Assistenzhundetrainerin halten sollte, die diese Korrekturmöglichkeit (Aufbau eines Korrekturwortes über Wasserspritzen) wahrscheinlich als nicht gut für die Ausbildung zum Assistenzhund bewerten würde. Wir vereinbarten, dass ein Kontakt zwischen den beiden Trainerinnen stattfinden sollte und ein Einzeltraining. Wie ich zum Auto zurückgekommen bin, weiß ich nicht genau. Dissoziation. Im Auto sitzend versuchte ich mich wieder zu orientieren und dabei wurde ich von Emotionen überflutet… Nachdem ich wieder ein klein wenig gefasst war, also nach über einer halben Stunde, sprach ich meiner Assistenzhundetrainerin auf Band. Anschließend brauchte ich nochmal eine halbe Stunde, um wieder fahrtüchtig zu sein…

Das Einzeltraining wird über ein Büro terminiert und leider bekam ich erst einen Termin für 7 Wochen später. Auch auf meinen Hinweis hin, dass es dringend sei und 7 Wochen im Leben eines Junghundes ein sehr langer Zeitraum wäre, konnte kein früherer Einzeltrainingstermin gesetzt werden.

Ich fühlte mich völlig alleine gelassen. Das sind Gefühle, die für viele PTBS-Betroffene triggern…

Meine Assistenzhundetrainerin sah meine Not und bot mir an, den monatlichen Termin vorzuziehen, damit ich Hilfe bekomme. Das nahm ich auch dankend an. Sie schaffte es, mich ein wenig zu beruhigen und gab mir konkrete Trainingsmöglichkeiten an die Hand.

Nun zur Tierärztin. Ich selbst bin leider nicht im Stande, mit Linus zur Ärztin zu fahren. Das übernimmt mein Partner. Linus ist wohl dort auch völlig ausgerastet, sodass die Ärztin regelrecht entsetzt war. Sie vermutete stark, dass gravierende Erziehungsfehler die Ursache seien und Bewegungsmangel. Weiterhin empfahl sie einen Trainer, der gerade mit solchen, extrem lebhaften, Hunde viel Erfahrung hat und gute Trainingserfolge aufweisen könnte. Bachblüten würde sie anmischen. Mein Partner und ich fuhren zwei Tage später nochmals hin, um ohne Linus, also in Ruhe, mit ihr darüber zu sprechen, aber ich hatte nicht den Eindruck, dass wir miteinander kommunizierten, wir redeten aneinander vorbei.

In den nächsten Tagen stürzte ich innerlich den nächsten Wasserfall herunter – bei Betreuung durch zwei Trainerinnen und bei meinem Rund-um-die-Uhr-mit-Hundeerziehung-beschäftigt-sein-und-keine-Kapazität-mehr-für-mich-haben —– Erziehungsfehler???????? Natürlich, ich musste ja irgendwie Schuld an Linus‘ Verhalten sein. Wer sonst?

Nach Rücksprache mit meiner Assistenzhundetrainerin nahm ich das Angebot wahr und fuhr mit meinem Partner zu dem empfohlenen Trainer, damit er einen Blick auf Linus werfen kann. Ich kürze jetzt mal ab, was bei dem Treffen passierte, denn ich bin auch heute noch ein ganzes Stück sprachlos: Nachdem wir aus dem Auto ausstiegen, wurde mir die Leine mit einem „Geben Sie ihn mir mal.“ aus der Hand genommen. (Warum habe ich mich nicht gewehrt?) Anschließend wurden Linus Befehle gegeben, nein, er wurde mit Befehlen angeschnauzt, die er jedoch zum Teil nicht kannte – z. B. „Platz“ anstatt „legen“. (Warum habe ich mich nicht gewehrt?) Als Linus ihn kurz ansprang, traf ihn das schnell hochgezogene Knie. (Warum habe ich mich nicht gewehrt?) Ziehen an der Leine wurde mit Leinenruck bestraft. (Warum habe ich mich nicht gewehrt?) Im Gespräch wurde die Richtung, in die Linus durch ihn erzogen werden sollte, klar: Unterordnung. Die Methodik war auch schnell klar: Körperlichkeit, in meinen Augen: Gewalt. Kommunikation war nicht möglich, da er ohne Punkt und Komma sprach und auf Einwürfe meinerseits nicht reagiert. (Warum habe ich dieses Treffen nicht abgebrochen?)

Dieses Treffen war einfach grauenhaft für mich. Ein unangenehmer Mann, der auch ständig meine Individualdistanz unterschritt, nur laut und im Befehlston sprach und der Linus Gewalt antat (in meinen Augen). Mir ging es anschließend richtig schlecht. Wie so oft in den letzten Monaten…

Ich kann gar nicht richtig in Worte fassen, wie furchtbar diese Zeit für mich war. Mein Therapeut in Urlaub…

Nun möchte ich aber auch berichten, wie es uns, Linus und mir, mittlerweile – nach 1,5 Wochen – geht: viel besser! Ich beherzige die Tipps meiner Assistenzhundetrainerin indem ich Hundebegegnungen übe (mit Markern, ab und zu Spielpartner), mehr körperliche Bewegung anbiete (im Garten toben auf bestimmte Art und Weise, Waldspaziergänge 30 – 45 min durchziehen, auch wenn Linus zwischendurch „tillt“, Spaziergänge im Feld eine Stunde lang), gehe an der Führleine mit Halsband, an der Schleppleine mit Geschirr (ja, das geht mittlerweile auch ab und zu wieder) und ich gebe Linus die Bachblütenmischung der Tierärztin.

Wir sind noch Lichtjahre von „Hunde-Normalität“ entfernt, aber es geht deutlich mehr in diese Richtung!

Und mein schönstes Geschenk: Vorgestern hatte ich einen sehr anstrengenden Tag. Als ich nach Hause fuhr, freute ich mich auf Linus und darauf, mit ihm noch eine Feldrunde zu gehen und anschließend mit ihm ein paar Minuten zu kuscheln. Ich wage wieder zu hoffen.

Das ist ein Geschenk. Ein kostbares.

Linus schläft. Daneben Aufschrift: "Ich atme. Produktiver wird es heute nicht mehr.