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29. August 2019

Linus schläft auf seiner Decke, die Hinterbeine in die Luft gereckt, völlig tiefenentspannt

Die Schlafhaltungen von Linus erheitern und faszinieren mich immer wieder. So viel Entspannung und vertrauensvolle Hingabe!!

Tagsüber ist es leider das Gegenteil – das pubertäre Hormonkarussell hat uns (ja: uns!) fest im Griff…

Ich bin mal wieder am Hadern ob meiner Entscheidung, mir mit fachlicher Hilfe einen Assistenzhund auszubilden. Seitdem Linus im Alter von 9 Wochen bei uns eingezogen ist, laufe ich am Limit meiner psychischen Möglichkeiten. Er ist jetzt 9 Monate alt. Wie ich an anderer Stelle geschrieben habe, wohnen seit 20 Jahren Hunde aus dem Tierschutz bei uns, Labrador, Schäferhunde und ein Kangalmix. Durch ihre Geschichte waren diese (allesamt ja auch große) Hunde nicht einfach zu führen, aber Linus, der Labradoodle aus sorgfältiger Zucht, sprengt alles. Er ist soooo anstrengend!

Hunde in der Pubertät sind ja durchweg nicht unbedingt einfach, das weiß ich natürlich. Aber Linus hat derzeit fast jeden Tag einen „Ausraster“ außerhalb des Hauses. Er springt wie verrückt in die Leine, sodass ich ihm kaum noch Herr werde. Einiges an Blessuren und Wunden hat mein Körper mitterlerweile davongetragen.

Was ich nochmal deutlich hier sagen möchte: Erziehungsfehler schließe ich – obwohl äußerst selbstkritisch – aus. Wir werden von zwei (!) Trainerinnen betreut. Von Anfang an. Pudel- und vor allem auch Labradorwelpen/Junghunde sind wohl, nach deren Aussage, nicht einfach zu erziehen und bei Linus kommt seine Intelligenz noch erschwerend hinzu. Und die Pubertät.

Irgendwie tröstet mich das nicht.

Ich muss den Alltag mit ihm hinkriegen. Spaziergänge sind nur noch in sehr reizarmer Umgebung möglich (abgeerntetes, ihm bekanntes Feld oder menschen- und vor allem hundeleere Parkplätze). Kein Wald, keine Ortschaft, wenig unbekannte Umgebung.

Mein Assistenztraining beschränkt sich seit Wochen auf die eigenen 4 Wände – bestensfalls können wir im Garten ein wenig üben.

Ich muss auch verarbeiten, dass seine „Ausraster“ in mir wunde Punkte berühren und z. T. aufreißen, oft auch erst Stunden oder sogar Tage später. Ja, Linus‘ Verhalten kann triggern. Ich bin noch nicht in der Lage, die Trigger genau zu identifizieren. Hilflosigkeit, Gewalt, Panik, von der Außenwelt abgeschnitten – das sind ein paar dieser Trigger.

Wenn Linus so durchdreht – i. d. R., wenn er andere Hunde sieht und nicht zu ihnen darf – erscheint er völlig von der restlichen Außenwelt abgeschnitten. Nur noch die Hundegestalt in der Ferne scheint in seiner Wahrnehmung anzukommen. Selbst gekochtes Hühnerfleisch, dass ich ihm unter die Nase halte, scheint nicht existent – genauso wenig wie ich.

Er springt mit seinen 32 kg in die Leine, wechselt dabei die Geschwindigkeit in Sekunden. Ich bin hilflos und kann mich nur noch in den Boden stemmen, innerlich einfrieren und warten. Manchmal reicht meine Kraft dafür nicht aus und finde mich auf dem Boden wieder. Hilflosigkeit. Körperliche Gewalterfahrung. Wenn das passiert, wenn Linus mich umgerissen hat, dann ändert sich sofort sein Verhalten – es wird panisch. Ich sehe es in seinen Augen und ich sehe seine unkontrollierten Hüpfer um mich herum, z. T. auf mich drauf. Er zeigt enormen Stress. Meine Versuche, ihn durch ruhiges Zureden und Brust streicheln zu beruhigen, schlagen in 90 % der Fälle fehl. Es bleibt mir nur, irgendwie zum Auto zurückzufinden und zu schauen, dass Linus und ich nicht weiter zu Schaden kommen.

Meine beiden Trainerinnen kommunizieren miteinandern, um Trainingsmöglichkeiten zu besprechen, die für mich händelbar sind. Weiterhin bin ich – ebenfalls auf Anregung meiner Assistenzhundetrainierin – in Kontakt mit meiner Tierärztin, die bestätigte, dass diese Art Hund (Pudel, Labbi, hochintelligent, extrem gute Wahrnehmung von menschlicher Befindlichkeit) zum einen sehr anstrengend zu erziehen ist (vor allem in der Pubertät) und zum anderen häufig Unterstützung durch homöopathische Präparate und/oder Bachblüten, sowie bestimmte Nahrungsergänzungsmittel im Bereich der Spurenelemente benötigt.

Ich werde in den nächsten 14 Tagen Näheres von ihr erfahren, denke ich. Ein umfangreicher Anamnesebogen muss erst von mir ausgefüllt werden…

Wie lange dauert die Pubertät eines Hundes? Nun, bei Linus kann ich davon ausgehen, dass es im Sommer nächsten Jahres etwas besser wird. Im Sommer. Nächsten. Jahres.